Modell der Akademie der Bildenden Künste | München

Das Bauwerk als Skulptur

Die Aufgabe des Modells im Rahmen der Ausstellung war nicht, eine kritische historische Rekonstruktion zu zeigen, sondern den für die inhaltliche Thematik wichtigen Handlungsort Akademie in die Ausstellung anschaulich einzubringen.

Bei dem Beitrag zur Ausstellung „Architektur im Kreis der Künste“ (Architekturmuseum / Pinakothek der Moderne, 2008) handelt es sich um eine stark vereinfachte Darstellung des Neorenaissance-Baus (1876-85) von Gottfried von Neureuther unter Einbeziehung der 1912 von Friedrich von Thiersch auf der Gartenseite angebauten Aula.

Das Modell beschränkt sich auf die reine Gebäudedarstellung und macht zu Umgebung und Einbettung keine Angaben. Damit entfernt es sich von der historischen Vorlage, bei der die Gestaltung und Integration der Außenbereiche, auch bodenseitig, eine bedeutsame Rolle spielt.

Dem Betrachter tritt die Anlage als gelenkig gegliederte bauliche Skulptur entgegen, in der aufstrebende turmartige Massen mit gelagerten Verbindungsbauten wechseln. Auffallend und markant sind, wenn man die merkwürdig unpräsent wirkenden Dachabschlüsse der Nachkriegszeit gewohnt ist, die selbstbewusst aufgerichteten, gebauchten Mansarddächer über den Pavillons.

Modell und Vorbild in Spannung

Im Unterschied zum realen Bauwerk, das ohne Bruch und nuancenreich im Gewand klassischer Säulenordnungen Übergänge zwischen Kubatur und detaillierendem Schmuck formuliert, also kontinuierlich in der Ebene des Plastischen bleibt, kennt das Modell nur zwei scharf abgegrenzte, kontrastierende Aussageebenen: die plastische Darstellung von Volumen und die zeichnerische Andeutung der Detaillierung.

Auch wenn sich das Geflecht horizontaler und vertikaler Bewegungen auf der Oberfläche des Baus nicht streng auftrennen lässt, so scheint beim Vergleich mit historischen Aufnahmen aus der Entstehungszeit der Verzicht auf die  plastische Ausgestaltung der Gebälke, besonders des Hauptgebälks unter dem Dach, vielleicht als stärkster Eingriff auf der plastischen Ebene.

Von der im Original vorgeführten Opulenz der Ausführung bleibt zwar die Beredtheit, aber der inszenierte Aufwand und die Filigranität, wie sie zeitgenössische Fotos zeigen, verlieren sich im Modell in Andeutungen. Trotz der abgeänderten Eigenschaften entstehen bei den Modellaufnahmen in Überlagerung von plastischer und zeichnerischer Darstellungsebene Bilder von großer suggestiver Kraft.

Gut möglich, dass der Typus der Architektur mit seiner klaren kubatorischen Gliederung und dem alles überspielenden, von Wiederholung geprägten Dekor dem angewandten Darstellungsmodus entgegenkommt. Er zehrt sicher auch von der grafischen Qualität der Zeichnungsvorlagen, mit denen er eine Brücke zum Gestaltungshorizont der Entstehungszeit und zur Person des Architekten schlägt. Die Unregelmäßigkeit des Zeichnungsauftrags steigert dabei eher noch den baulichen Realitätscharakter des Modells als ihn zu schwächen und verhindert, dass die Gestaltung als schlichte Anwendung einer simplen Methode wahrgenommen wird.

Eckdaten

ORT
Ausstellung: Architektur im Kreis der Künste, 15. Februar bis 18. Mai 2008, Pinakothek der Moderne, München

MASSSTAB
1:100

MASSE
202 x 90 x 37cm (B x T x H)

MATERIAL
MDF natur; Übertragung der Linienzeichnung durch Abrieb von Papiervorlagen

AUSFÜHRUNG
2008

FERTIGUNGSUMFANG
150 h

AUFTRAGGEBER
Architekturmuseum der TU München

BEARBEITER
Gerhard Wandinger

FOTO
sehen + verstehen, München

16.1.2021