Anschauungs­modell Königsstuhl bei Rhens

Der Gegenstand und seine Umsetzung als Szenerie

Der Königsstuhl bei Rhens ist für das Heilige Römische Reich Deutscher Nation als Ort der Königswahl bzw. deren Vorbereitung ein zeitweise sehr bedeutsamer, später ein vor allem symbolischer Ort. Deshalb wurde er zusammen mit der Pfalzkapelle in Aachen als Modell in die Ausstellung, die dem Reich und dem deutschen Kaisertum gewidmet ist, aufgenommen.

Gelegen am Ufer des Rheins, wurde das Bauwerk genutzt für anberaumte Treffen höchster Entscheidungsträger des Reichs, die sich dort auf die Wahl eines Königs verständigten oder andere das Reich betreffende wichtige Entscheidungen trafen. Man konferierte unter freiem Himmel auf dem Balkon des Gebäudes, der über eine Treppe erreichbar war und eine umlaufende Bank besaß.

Es handelt sich also um einen Schauplatz, der die meiste Zeit – und oft auch für lange Zeit – verwaist war und dennoch eine dauerhafte identitätsstiftende Wirkung entfaltete.

In diesem Sinn konnte es in Bezug auf ein Modell nicht nur um die Rekonstruktion eines Bauwerks gehen, sondern um die Beschreibung einer Örtlichkeit.

Rekonstruktion des Bauwerks aus dem 14. Jahrhundert

Seine Errichtung vor 1400 ist in Urkunden verbürgt und ebenso seine darauffolgende Nutzung. Ein erster bildlicher Nachweis stammt allerdings erst aus dem Jahr 1608. Auch wenn man davon ausgehen darf, dass ein Bau von dieser symbolischen Bedeutung grundsätzlich unverändert bzw. unangetastet bleibt, sollte man sich trotz der Sorgfalt in der Rekonstruktion des hypothetischen Charakters einer solchen Darstellung bewusst bleiben, von deren Original heute kaum mehr etwas und auch nicht am originalen Schauplatz existiert. Eine zentrale Aufgabe für die Rekonstruktion ist, nach Prüfung aller Quellen und Befunde einen plausiblen Ansatz maßlicher Größen und Proportionen vorzuschlagen.

Herausforderung für den Modellbau

Die Gewölbedarstellung auf der Unterseite des Bauwerks war eine besondere Herausforderung und musste aus Massivholz gefräst und passgenau gestoßen und verleimt werden.

Um ein möglichst ruhiges Holzbild im Grundkörper des Bauwerks zu erreichen, wurde für die großen glatten Wandflächen Furniere verwendet, während alle Profilierungen und kleineren allsichtigen Bauteile wie die tragenden Stützen aus Massivholz gefertigt sind.

Die weiche durch Schnitzen und Schleifen erzeugte Geländedarstellung bestimmt zusammen mit den Bäumen wesentlich die Atmosphäre des Orts.

Die Baumdarstellungen verzichten auf jede Laubdarstellung und wirken trotzdem natürlich. Sogar ihre Goldfarbigkeit – ein Reflex auf den verhandelten exklusiven Herrschaftsrang – tut der Glaubhaftigkeit des Objekts und des gesamten Ensembles keinen Abbruch.

Bilder, die den Kopf beflügeln wollen

Modelle erlauben die Erschaffung einer Realität, für die die historische Verbürgtheit eines jeden Details bedeutungslos wird. Sie erfüllen dabei eine Funktion wie sie vielleicht auch Filme einzulösen in der Lage sind: Sie evozieren Bilder im Kopf und setzen im Betrachter eine Denk- und Vorstellungsbewegung  in Gang, die ihn direkt in das Thema hineinzieht.

Eckdaten

ORT
Kaiserburg Nürnberg

AUSSTELLUNG
»Kaiser – Reich – Stadt. Die Kaiserburg Nürnberg«

MASSSTAB
1:35

MASSE
101 x 42 x 56,5 cm (B x T x H)

MATERIAL
Linde, Birnbaum, Messing und Modelliermasse, Museumskarton, bemalt

AUSFÜHRUNG
2014

FERTIGUNGSUMFANG
300 h

AUFTRAGGEBER
Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen

BEARBEITER
Peter Götz, Gerhard Wandinger

FACHLICHE BETREUUNG
Dr. Johannes Erichsen

FOTOS
sehen + verstehen, München