Anschauungs­modell der Plassenburg aus Holz

Anschauungsmodell der Plassenburg um 1806

Das Anschauungsmodell aus Holz zeigt den Endzustand der Festung vor der Schleifung der Wehranlagen 1806/07.

Die Plassenburg ob Kulmbach war eines der Herrschaftszentren der Hohenzollern in Franken und ihre stärkste Festung. Die Baugestalt wird bestimmt durch die Entwicklung der Artillerie und die Veränderung des Belagerungswesens in den Epochen Renaissance und Barock. In den Ausbauarbeiten spiegelt sich die militärtechnische Entwicklung von der altitalienischen Rondellbefestigung um 1530/40 bis hin zu bastionierten Werken des Barock. Die Zugehörigkeit der Bauteile zu den Hauptbauzeiten und deren spezifische Logik soll Gegenstand einer eigenen didaktischen Erläuterungsebene werden.

Als Teil einer Doppeldarstellung bildet das Anschauungsmodell das Gegenstück zu einem anderen Modell aus Holz gleicher Machart und gleichen Maßstabs, das den Zustand vor der Zerstörung von 1554 zeigt. Die gewählten Zeitschnitte markieren die wichtigsten Zäsuren in der Baugeschichte der Plassenburg. In der Gegenüberstellung beider Anschauungsmodelle wird für den Besucher nicht nur die Bewegtheit des geschichtlichen Prozesses anschaulich; die Doppelstruktur regt auch an zum Vergleich und verwickelt den Betrachter in eine eigene vertiefte Auseinandersetzung.

Gewichtete Detaillierung

Die Ausführung zielt darauf ab, die wehrtechnische Funktion der Bauteile zu verdeutlichen. Dazu wurden alle militärtechnisch bedingten Öffnungen und Scharten maßstäblich mit ihren charakteristischen Geometrien und wo erforderlich als Durchbrüche ausgeführt. Von allen Gebäuden der Burg wurde allein das Schloss wegen seiner Prominenz und zentralen Stellung hervorgehoben durch die Reliefdarstellung der Außenfassaden und die plastische Durchgestaltung des Hofes.

Herausforderung bei der Ausführung

Die enge Verzahnung von Gelände und Architektur im Festungsbau ist für den Modellbau eine besondere handwerkliche Herausforderung. Obwohl es so gut wie keine gemeinsame Grundebene gibt und bauliche Abschnitte getrennt gefertigt werden müssen, soll im Modell trotzdem alles wie aus einem Guss erscheinen.

Der Werkstoff Holz für ein Anschauungsmodell erfordert eine sorgfältige Prüfung bei der Materialwahl für jede Stelle, um den zusammenhängenden Eindruck nicht durch die Verschiedenheit der verwendeten Hölzer zu sprengen. An keiner Stelle darf der Eindruck aufkommen, es handele sich einfach um ein Stück Holz, immer muss der Abbildungscharakter von Architektur im Anschauungsmodell erhalten bleiben. Daher sind die meisten Baulichkeiten vielfach zusammengesetzt und an den Stirnseiten beplankt.

Besonders aufwendig gestalten sich die gebauchten Architekturformen. Sie sind häufig aus mehreren Segmenten gefügt und anschließend mit selbstgefertigtem Furnier beplankt. Für das Aufleimen und das Einfräsen der Öffnungen werden eigene objektbezogene Klebe- und Frässchablonen benötigt.

Ein Anschauungsmodell aus Holz als Schaustück, Instrument, Zeuge

Das neue Modell ist nicht nur ein weiteres Angebot für die Besucher in der Ausstellung. Es spielt auch in der wissenschaftlichen Aufarbeitung bei der Entwicklung und Überprüfung baugeschichtlicher Hypothesen eine wichtige Rolle.

Die Vorbereitung des körperhaften Modells erzwingt eine strenge, räumlich zusammenhängende Betrachtung, die in einer nur zeichnerischen, skizzenhaften Deutung eines Einzelaspekts nicht notwendig ist. Die im Vorbereitungsprozess erarbeitete digitale 3D-Zeichnung bietet ein korrigierendes und korrigierbares Gegenüber und ermöglicht in der schließlich realisierten körperlichen Form eine allen zugängliche, anschauliche und diskutierbare Überprüfbarkeit der Rekonstruktionsthese.

Der Auftraggeberin war es ein besonderes Anliegen – in der Vorwegnahme einer künftigen Rückschau auf unsere Zeit – den heutigen Wissensstand so sorgfältig wie möglich zur Darstellung zu bringen. In diesem wissenschaftlichen Anspruch unterscheidet sich dieses Modell von anderen, deren Anliegen es allein ist, dem Besucher durch plastische Bebilderung Vergangenes vorstellbar zu machen.

Eckdaten

ORT
Plassenburg, Kulmbach

MASSSTAB
1:400

MASSE
110 x 75 x 40 cm ( B x T x H)

MATERIAL
Birnbaum für die Architektur, Ahorn für das Gelände; Birkensperrhölzer für Grundplatte und Gewässer. Verklebung mit PU- und Weißleim

AUSFÜHRUNG
2017/18

FERTIGUNGSUMFANG
ca. 1500 h

AUFTRAGGEBER
Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen für die Dauerausstellung „Hohenzollern in Franken“

FACHLICHE BETREUUNG
Dr. Johannes Erichsen, Harald Stark

BEARBEITER
Peter Götz, Claudius Karlinger, Markus Möslein, Eva Schiller, Gerhard Wandinger

PROJEKTPLANER
Schreinerei Sonnenberger, Stetten bei Dachau (Zubereitung des Ahornholzes, Fräsen der Höhenschichten und Verleimen des Geländerumpfes in der Plattenpresse)

FOTOS
Stefan Schumacher, München

plassenburg.de