Tiepolo zu Gast in München
Kunstinstallation in einer Arztpraxis
Entstehung
Die Idee zu diesem Projekt wurde während einer längeren zahnärztlichen Behandlung geboren – in einem Gespräch an unmittelbar dem Ort, wo später die Arbeit ihren Platz finden sollte.
Mir war aufgefallen, dass mein Blick während der Behandlung ständig die wenigen zugänglichen Elemente im Deckenbereich abwandert und nach visuellen Ereignissen sucht. Und dass diese spontane Beschäftigung der Augen eine beruhigende weil ablenkende Wirkung ausübt.
Bei einem Gespräch über Deckenmalerei, das sich im Anschluss daran entwickelte, stießen die behandelnde Ärztin und ich auf Giambattista Tiepolo (1696–1770), der ihr als Liebhaberin barocker Deckenmalerei sehr vertraut war. Es war der Augenblick, in dem – so könnte man sagen – Tiepolo das erste Mal in diese Räume trat.
Entscheidung
Als ich nach meiner überraschenden Beauftragung und der Recherche in Frage kommenden Bildmaterials geeignet erscheinende Alternativen vorlegte (zum Beispiel Arbeiten von Josef Albers, aber auch andere barocke Malerei), lehnte die Auftraggeberin ab und hielt an Tiepolo fest.
Glücklicherweise stand, da zeitgleich die Restaurierung der Würzburger Residenz zu Ende gegangen war, hochaufgelöstes, aufbereitetes Datenmaterial des Deckenfreskos im Treppenhaus der Residenz zur Verfügung, auf das wir zurückgreifen konnten.
Die geeigneten Bildausschnitte für die beiden vorgesehenen Behandlungsräume zu bestimmen, war schwer. Man musste dafür die geeignete Maßstäblichkeit finden und die vorhandenen kunstvollen Kompositions- und Wirkungszusammenhänge zerschneiden, während man sich gleichzeitig zunehmend der Härte des Zusammentreffens dieser sehr verschiedener Welten bewußt wurde, und das Wagnis erkannte, das in diesem Experiment lag.
Ergebnis
Die spontanen Reaktionen der Patienten waren überraschender Weise durchweg positiv. Noch interessanter: sogar „kunstferne“ Menschen erinnern sich auch außerhalb der Praxisräume an die Gestalten auf den Bildern. Und selbst bei der Übernahme der Praxis spielten für die Nachfolgerin noch die Tiepolo-Bilder eine „mitausschlaggebende“ Rolle.
Die Installation ergänzt ein vorhandenes Ensemble aus räumlichen, atmosphärischen und funktionalen Gegebenheiten und bringt dabei zwei Welten in Verbindung: die „Hochglanz“-Welt einer modernen Zahnarztpraxis mit dem Glamour einer verschwenderischen kunst- und erzählfreudigen höfischen Welt. Über die Kombination einander fremder Schauplätze und Zeiten entsteht ein Spannungsverhältnis, das vielleicht auch durch Irritation inspirierend und produktiv wirkt. Der kommunikationsstiftende Charakter des Eingriffs hat sich immer wieder bewiesen.
Eckdaten
AUFTRAGGEBER
privat
ORT
Arztpraxis in München
AUSFÜHRUNG
2007
INSTALLATION
aus 2 Tafeln
MATERIAL
Druck mit Schutzfolie auf Aludibond als Träger
MASSE
L x B: 148cm x 148 cm
KONZEPT/REALISIERUNG
Peter Götz
PROJEKTPARTNER
Bilddaten: IB Grindel, Würzburg / Produktion: B34, München
FOTOS
sehen + verstehen, München